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Radikale Fans im Fußball„Ultras – die Demokraten von morgen“

Der Soziologe Gerd Dembowski über die Sicherheit von Stehplätzen, partizipatorische Modelle der Ultras und Probleme im Umgang mit den Fans.

Ultras von Eintracht Frankfurt bei Union Berlin. Bild: dapd
Andreas Rüttenauer
Interview von Andreas Rüttenauer

taz: Herr Dembowski, warum sind Stehplätze eigentlich so wichtig für viele Fans?

Gerd Dembowski: Das Wichtigste ist nicht, wie viele sagen, der Preis, auch wenn das sicher ein entscheidender Faktor ist. Viel wichtiger ist aber, dass sich Fußballfans in einer bewegungsorientierten Jugendkultur befinden. Unabhängig von dem, was auf dem grünen Rasen geschieht, gibt es so etwas wie eine Verabredungskultur, es geht darum, sich zu vernetzen. Und das ist eben schwer, wenn man wie ein Huhn auf der Stange sitzt. Wir kennen das ja aus dem Kino. Wenn einer zu seinem Platz will, müssen alle anderen aufstehen und werden abgelenkt. Sollte es so weit kommen, ist die Art und Weise des Fußballerlebnisses eine ganz andere.

Aber sicherer sind die Sitzplätze schon?

Ich wage einmal die These, dass Stehplätze wesentlich sicherer sind, weil sie in Panikfällen einfacher zu räumen sind. Menschen drängen in Panikfällen immer nach vorne. Und wenn das Sitzplätze sind, kann es sein, dass man darüber stolpert, dass Menschen zu Tode getreten werden.

Außerdem, auch das haben wir ja schon erlebt, sind Sitzplätze bisweilen regelrechte Schlagwaffen oder Wurfwaffen. Es geht bei der Stehplatzdiskussion nicht wirklich um eine Erhöhung der Sicherheit, sondern darum, eine symbolische Strafe zu verhängen. Durch den immensen öffentlichen Druck, der in immer kürzeren Abständen immer weiter aufgebaut wird, könnte diese Bestrafung tatsächlich real werden.

Was könnte die Abschaffung der Stehplätze in der Fanszene auslösen?

Bild: privat
Im Interview: Gerd Dembowski

ist Soziologe und erforscht seit mehreren Jahren das Fanwesen im Fußball. Zurzeit arbeitet er über „Diskriminierung und Antidiskriminierung im englischen und deutschen Fußball“. Dembowski ist Mitbegründer des Bündnisses aktiver Fußballfans und hat für das Netzwerk „Football against Racism in Europe“ (Fare) gearbeitet.

Es wird einen erheblichen Widerstand auslösen. In welcher Form er ablaufen wird, weiß ich nicht. Die erste Fanbewegung, die erfolgreich für die Erhaltung der Stehplätze gekämpft hat, hat wie eine Kommunikationsguerilla gearbeitet, hat es verstanden, Journalisten, Politiker, Fanforscher und über diese den DFB auf ihre Seite zu bringen. Das ist heute schwieriger, da viele Ultras Kontakte zu Medien vermeiden, Kontakte auch zu möglichen Bündnispartnern ausschlagen.

Sie haben aber auch schlechte Erfahrungen gemacht mit dem DFB, der die Gespräche über kontrolliertes Abbrennen von Pyros abgebrochen hat.

Es gibt keine Connection mehr. Letztendlich haben wir eine Jugendkultur, die in einer Zeit entsteht, in der allerorten über Politikverdrossenheit geklagt wird, darüber, dass die Jugend nichts Tiefgehendes liest. Dabei sind viele Ultras extrem gut informiert, was ihre Anliegen angeht. Sie praktizieren partizipatorische Modelle, üben sich teilweise auf ihren Versammlungen in Demokratie. Wir sehen da junge Leute, die die Demokraten von morgen sind. Wenn diese jungen Leute in ihrer Findungsphase erfahren, dass Dialoge abgebrochen werden, dass sie marginalisiert, stigmatisiert werden, dann prägt sich das ein.

Die Ultras sind also die Guten?

Auch Ultras müssen lernen, dass Politik auch Realpolitik sein muss, dass man nicht in Gespräche gehen kann mit einer Maximalforderung, von der man dann auch nicht abweicht. Wenn die Ultrabewegung sich da nicht öffnet, wenn sie nicht in der Lage ist, sich mit Leuten, die situativ zu Gewalt neigen, auseinanderzusetzen, statt sie nur in Schutz zu nehmen, dann wird die Bewegung von der Politik mehr und mehr zum Problem gemacht und nach und nach aus den Stadien verdrängt.

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6 Kommentare

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  • FF
    Fridolin Funke

    Kommentare wie den von "Micha" können nur Leute schreiben, die sich ihr "Event" Fussball mit ner Tüte Chips kauend auf der Couch ansehen.

  • H
    Hamburgerin

    Herr Dietmar, was bitte ist denn genau der Mist daran?

    Abschaffung von Stehplätzen ist Mist! Wie Herr Dembowski sagt, geschieht das nicht zur Sicherheit, sondern zur Strafe für die bösen Ultras.

  • KK
    Karl K

    Da zitier ich mal meinen Freund und Sangesbruder aus

    Doortmund Huckarde-Nord: " Jetzt wollen sie der Arbeiterklasse

    auch noch die Stehplätze wegnehmen!"

     

    Nachdem Hitler die große Arbeitersportbewegung zerschlagen hatte,

    gelang es nach WK II der weit kleineren bürgerlichen Sportbewegung unter wesentlicher

    Mithilfe des Nazis Carl Diem den Sport in vergleichsweise unbedeutende Landessportbünde und die von der bürgerlichen Sportbewegung dominierten

    Fachverbände mit internatinalem Startrecht zu organisieren.

     

    Die geforderte Abschaffung der Stehplätze wäre sozusagen

    der signifikante Abschluß dieser mit gewaltigen Steuergeldern finanzierten

    robbery und Selbstbedienung.

  • M
    Micha

    Selten so einen Quatsch gelesen ... Sperrt die Stehplätze als die Quelle der Gewalt in Stadien und legt die Kosten für Polizei und Schäden auf die Vereine und die ertappten Randalierer um!

  • GD
    gerd dembowski

    irgendwie kam meine autorisierung leider zu spät. kein fehler der taz. aber vorenthalten mag ich die bessere version dann doch nicht:

     

    taz: Herr Dembowski, warum sind Stehplätze eigentlich so wichtig für viele Fans?

     

    Gerd Dembowski: Das wichtigste ist nicht der Preis, auch wenn das sicher ein entscheidender Faktor ist. Viel wichtiger ist aber, dass Fußballfans Teil einer bewegungsorientierten Jugendkultur sind. Unabhängig von dem, was auf dem grünen Rasen geschieht, gibt es so etwas wie eine Verabredungskultur, es geht darum sich zu vernetzen. Und das ist eben schwer, wenn wie Hühner auf der Stange gesessen wird. Wir kennen das ja aus dem Kino. Wenn einer zu seinem Platz will, müssen alle anderen aufstehen und werden abgelenkt. Sollte es so weit kommen, wird die Art und Weise des Fußballerbnisses eine ganz andere.

     

    Aber sicherer sind die Sitzplätze schon?

     

    Ich wage einmal die These, dass Stehplätze wesentlich sicherer sein können, weil sie in Panikfällen einfacher zu räumen sind. Menschen drängen in Panikfällen nach vorn. Und wenn da Sitzplätze sind, stolpert man darüber und dass Menschen könnten zu Tode getreten werden. Außerdem, auch das haben wir ja schon erlebt, sind Sitzplätze bisweilen regelrechte Schlag- oder Wurfwaffen. Es geht bei der Stehplatzdiskussion nicht wirklich um eine Erhöhung der Sicherheit, sondern darum, eine symbolische Strafe zu verhängen. Durch den immensen öffentlichen Druck, der derzeit in immer kürzeren Abständen immer weiter aufgebaut wird, könnte diese Bestrafung real werden.

     

    Was könnte die Abschaffung der Stehplätze in der Fanszene auslösen?

     

    Es wird einen erheblichen Widerstand auslösen. In welcher Form er ablaufen wird, weiß ich nicht. Die erste Fanbewegung, die erfolgreich für die Erhaltung der Stehplätze gekämpft hat, hat wie eine Kommunikationsguerilla gearbeitet, hat es verstanden, Journalisten, Politiker, Fanforscher und über diese den DFB auf ihre Seite zu bringen. Das ist heute schwieriger, da viele Ultras Kontakte zu Medien vermeiden, Kontakte auch zu möglichen Bündnispartnern vielleicht ausschlagen.

     

    Sie haben aber auch schlechte Erfahrungen gemacht mit dem DFB, der die Gespräche über kontrolliertes Abbrennen von Pyros abgebrochen hat.

     

    Trotz allem wird es ohne eine Connection nicht gehen. Letztendlich haben wir eine Jugendkultur, die in einer Zeit entsteht, in der allerorten über Politikverdrossenheit geklagt wird, darüber, dass die Jugend nichts liest. Dabei sind viele Ultras extrem gut informiert, was ihre Anliegen angeht. Sie praktizieren partizipatorische Elemente, üben sich teilweise auf ihren Versammlungen unbewusst in Demokratie. Wir sehen da junge Leute, die die Demokraten von morgen sind. Wenn diese jungen Leute in ihrer

    Findungsphase erfahren, dass Dialoge aus ihrer Sicht wenig nachvollziehbar abgebrochen werden, dass sie marginalisiert, stigmatisiert werden, dann prägt sich das ein.

     

    Die Ultras sind also die Guten?

     

    Auch Ultras müssen lernen, dass Politik auch Realpolitik sein muss, dass man in Gespräche gehen kann mit einer Maximalforderung, die aber nicht 1:1 umgesetzt bekommt. Wenn die Ultrabewegung sich da nicht öffnet, und wenn sie nicht in der Lage ist, eine Reflexion über Gewalt transparent zu machen, dann wird die Bewegung von der wirkungsmächtigeren Politik immer mehr zum Problem gemacht und nach und nach aus den Stadien verdrängt. In heutiger Zeit ist von einem Innenministertreffen zu diesem Thema auch nicht unbedingt ein aufklärerischer Akt zu erwarten.

  • WD
    Wilh. Dietmar

    Selten so einen Mist gelesen.